Miteinander reden…

Der Weg ist das Ziel...Integration 2018

…sagte schon Herr Schulz von Thun…

…seines Zeichens deutscher Psychologe und Erfinder des  Vier-Seiten-Modells

was hat nun ein Psychologe mit der derzeitig recht hitzig  und überregional geführten Debatte um Ausländeranteile und angekündigte angebliche Aufnahmestopps in  deutschen Kleingärten zu tun?…mehr als man annehmen mag, so schwant mir …

…aber von vorn:

am 17. 07 2018 titelt die Kieler Nachrichten wie folgt:

„…
Kleingärtner klagen über Zuwanderer

Kleingartenvereine in Schleswig-Holstein fühlen sich zunehmend mit der hohen Zahl an Zuwanderern unter ihren Pächtern überfordert. Von erheblichen Integrationsproblemen sprechen die Vorsitzenden des größten Kleingartenvereins Kiels und des Kreisvereins Neumünsters…“

Konkret sieht das Ganze dann so aus:

-Herr Zabe  vom größten Kieler Kleingartenverein gibt an, dass sich in seinem Verein ein Teil der Mitglieder mit ausländischen Wurzeln nicht an die Regeln hält und hierdurch alteingesessene Mitglieder verdrängt

-Herr Zabe spricht weiter von bis zu 60 % Ausländeranteil auf manchen Koppeln, und dass er gerne umverteilen würde, also Neumitglieder eher auf Koppeln unterbringen, auf denen der Anteil niedriger ist, um einer Gettobildung vorzubeugen.

-Herr Zabe ist in seiner Wortwahl etwas reichlich ungeschickt, aber jeder drückt sich nun mal seiner eigenen Sozialisierung entsprechend aus.

Wenn man genauer liest, findet man neben solchen Krachern wie „die bauen Häuser bis zu 100 qm“…wo das „die“ mindestens aufstößt, denn wer durch Kieler Kleingartenanlagen geht, weiß dass das auch Deutsche tun…und „Es geht um die, die immer mehr werden. Die Moscheen aufbauen.“…auch leisere Töne wie z.b. direkt im Satz davor, das er mit vielen „von denen„  über die er spricht gut auskomme…das geht allerdings in der darauf folgenden allgemeinen  und medialen Aufregung unter.

Desweiteren kocht die Kieler Nachrichten im besten Sommerloch-Stil, und wohl auch redaktionell den aktuellen Temperaturen geschuldet dann einen ganz wilden Eintopf aus Aussagen vom Kreisverband der Kieler Kleingärtner,  wie auch vom Vorsitzenden des Neumünsteraner Kreisverbandes Hansheinrich Gräfe ( „ in den Kleingärten funktioniert Integration nicht…bei uns ballt sich das Problem und die Politik läßt uns damit allein…“).

Besorgt äußert sich wiederum Zabe über Verstöße gegen die städtische Gartenordnung,  die den Kieler Kleingärtnern ja nun die letzten Jahre von Seiten der Stadt Kiel oft genug vollkommen bar jeglicher Sensibilität für gewachsene Strukturen und Realitäten vor Ort um die Ohren gehauen wurde, wonach…

„die Haltung von Kleintieren, das Schächten von Tieren und Grillen auf offenem Feuer verboten sind…“

…wer hätt´s gedacht…

 

Ursprünglich kündigte Herr Zabe im ersten Artikel der Kieler Nachrichten schlicht an in

„bestimmten Anlagen keine Ausländer mehr aufnehmen zu wollen“

Das lese ich erstmal als Aufforderung zum Dialog, vor allem dass er sich damit direkt an die Presse wendet. Auch Hilflosigkeit schwingt in dem Satz mit.

Was dann passiert…und hier kommt der eingangs genannte Herr Schulz von Thun mit seinem Vier-Ebenen-Modell ins Spiel ist, dass jeder hört, beziehungsweise liest was ihm gelegen ist zu hören: Der Kieler Kreisverband distanziert sich vorsorglich, da er es sich, nach den Querelen der letzten Jahre mit der Stadt Kiel, so scheint es, nicht leisten mag, in einem Atemzug mit dem Wort „Ausländer-Konflikt“ genannt zu werden. Da der Kreisverband sich öffentlich, ebenfalls via Kieler Nachrichten, distanziert erhält das Thema nun Fahrt…leider in einer recht überhitzten Art und Weise die eine konstruktive Auseinandersetzung doch sehr vermissen läßt.

Die Aufgabe des Kreisverbandes wäre es, seine Mitglieder, also die Vorstände der ihm angegliederten Vereine, bei solcherlei Fragen und Konflikten zu beraten und zu unterstützen, das Gespräch zu suchen und gemeinsam an sachdienlichen Lösungen zu arbeiten….mittels einer öffentlichen Distanzierung erreicht man das gemeinhin nicht.

Solch frontenverhärtende statt lösungsorientierte Reaktionen sind in Kiel beim Betreff Kleingärten seit Jahren leider üblich. In diesem Kessel hat sich seit dem neuen Generalpachtvertrag mit der Stadt, dem fragilen Verhältnis zwischen der Stadt als Flächenverpächter und dem Kreisverband eine Menge an Druck aufgestaut, so dass die Landschaft mittlerweilen eher von Flucht- und Kampfreflexen als von Dialog geprägt ist.

Promt wird der Begriff Rassismus gebraucht, Politiker unterschiedlichster Couleur hängen sich ran und fordern Zabes Rücktritt, öffentliche Entschuldigungen und Ähnliches….ja, richtig, es ist Sommerloch, zudem bruttenheiß, da kann mans schon mal brauchen, mal wieder von sich hören zu lassen, erst recht in einem Zusammenhang in dem man sich selbst deutlich auf die Seite der Guten stellen kann.

Wie aus einem Artikel der TAZ vom 23.07.2018 hervorgeht,äußert Herr Arne Stegner von den Grünen:

„Dass dort Tiere geschächtet werden, kann ich mir nicht vorstellen.“ An dem Kleingarten-Thema sei man schon länger dran, ergänzt Andre Wilkens (SPD). „Auf den verpachteten städtischen Flächen müssen die Werte der Stadt, Weltoffenheit und Toleranz gelten“, sagt er. Deshalb sei so ein Aufnahmestopp für Ausländer „nicht durchhaltbar“.

Nach meiner Lesart sprach Herr Zabe gar nicht von einem Aufnahmestopp, sondern schlicht von möglichen Aufteilungsregelungen, dies könnte man ihm sogar mit ein bischen goodwill als Integrationsbemühungen auslegen. Solche Regelungen gibt es ja durchaus in anderen Bereichen, wenn auch nicht immer schriftlich fixiert, sondern eher schlicht praktisch umgesetzt.

Wenn ein Vorstand entscheidet, auf eine Koppel mit eher älterem ruhigem Klientel nicht zwei Neupächter mit kinderreicher Familie unterzubringen, oder auch , wenn ein Vorstand entscheidet, einen syrischen Mitbürger nicht auf einer eh schon rechtslastigen Koppel in der Nähe eines ebensolchen Stadtteils, sondern in entspannteren Gefilden unterzubringen, wird die Aufgeregtheit halb so groß beziehungsweise gar nicht vorhanden sein.

Was bleibt ist…dass sich bei den Kieler Kleingärtnern nach den letzten Jahren der Kieler Stadtpolitik in Sachen Kleingärten genügend Unsicherheiten und Orientierungslosigkeiten angesammelt haben, auch im Rahmen mit dem beschlossenen Kleingartenentwicklungskonzept, bei dem derzeit keiner so richtig weiß, wie dessen weitere Umsetzung aussehen soll.

Aber auch in Sachen Bebauungspläne, unklarer oder schlicht vermiedener Kommunikation mit der Stadt, Pachterhöhungen, Umlagen und vielem mehr sind viele Kleingartenvereine schlicht nicht wirklich sicher,  wie es weitergehen wird.

Und genau diesen Vereinen fordert man nun mit schönster Selbstverständlichkeit optimale Integrationsleistungen ausländischer Mitbürger ab…und wehe, da spricht einer aus, dass es Probleme gibt, dass man nicht weiß, wie  man auf Menschen anderer Nationalitäten zugehen soll, wenn diese nicht gerade den Kontakt eigeninitiativ suchen.

Wie sinnvoll es da ist, im aktuellen Zusammenhang sogleich wieder mit Kündigung des Generalpachtvertrages für alle Kieler Vereine zu drohen (Taz-Artikel) mag sich ein jeder selbst fragen.

Beim Thema Integration gilt es doch vor allem zu vermitteln, dass sie nicht „verordenbar“ ist, und genau dann eben auf heftigsten Widerstand stößt, sowohl bei denen die integrieren sollen, als auch bei den „zu Integrierenden“, sondern dass es hier um Entwicklung geht, auch um Neuland, um Ausprobieren, Reden, Fragen, auch Streiten…ohne das man bei bestimmten Reizworten vorab gleich Ausschluß fordert…hier übrigens wurde Ausschluß einzig von Linke-Politikerin Monika Kulas geäußert, nämlich der von Herrn Zabe…nicht mal Herr Zabe selbst kam auf den Gedanken, einen kompletten Ausschluß von irgendwem anstreben zu wollen.

Sommer
Sommerliche Hitzewelle und Kommunikationskultur

Zuletzt sollten sich all diejenigen, die sich an dieser Debatte beteiligen wollen, des Vier-Seiten-Modells der Herrn Schulz von Thun bewußt sein, welches besagt, dass jede Äußerung nach vier Seiten hin, sowohl vom Sender als auch vom Empfänger interpretiert werden kann:

  1. Auf der Sachseite informiert der Sprechende über den Sachinhalt, d. h. über Daten und Fakten.
  2. Die  Selbstoffenbarung umfasst, was der Sprecher durch das Senden der Botschaft von sich zu erkennen gibt, was er fühlt, wie seine , eventuell auch subjektiv gefärbte Sicht auf die Dinge ist
  3. Auf der Beziehungsseite kommt zum Ausdruck, wie der Sender meint, zum Empfänger zu stehen, und was er von ihm hält.
  4. Was der Sender beim Empfänger erreichen möchte, wird von der Apellseite repräsentiert.

Fazit: Deutsch ist eine schwierige Sprache, selbst für Deutsche.

Und einzig darum, weil ein Herr Zabe sich nicht so auszudrücken vermag,  dass es wirklich für jeden absolut stimmig, politisch korrekt, achtsam, sachdienlich und klar ist, in dem was er erreichen möchte, sollte man nicht das übersehen, was er schon leistet, jetzt, heute, hier, in diesem riesigen Verein mit über 2500 Mitgliedern,  und die Debatte um Integration in eine Rassismus-Debatte überführen. Das ist nicht zielführend, sondern fördert einzig weitere Spaltung.

…ansonsten..wollte ich eigentlich gar nicht über dieses Thema schreiben, sondern über Heckenschnitt bei tropischen Temperaturen, Verdunstung und Photosynthese, aber anscheinend bin auch ich hitzegeplagt und ein wenig Sommerloch-anfällig …